Wasserstoff und seine Farben

Von grün bis schwarz - was bedeuten die Farben des Wasserstoffs für unser Klima?

Februar 7, 2022

Wir bei Enapter sind jeden Tag neu davon angetrieben, unseren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten.

Unser Ansatz: die Entwicklung skalierbarer Elektrolyseure, die mittels Wasserelektrolyse fossile Brennstoffe durch grünen Wasserstoff ersetzen.

Farbcodes – wie z.B. “grüner Wasserstoff” –  werden genutzt, um zwischen den verschiedenen Herstellungsverfahren bei der Produktion von Wasserstoff zu unterscheiden. 

Aktuell wird an vielen Stellen darüber diskutiert, ob Wasserstoff das Potenzial hat, ein Schlüsselelement im Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu werden.
Begleitet wird diese Diskussion von einer ganzen Reihe von Farbspektren.

Wenn du also vorher noch nie etwas von rosa Wasserstoff gehört hast, bist du sicherlich nicht die einzige Person!

Daher möchten wir hier die Bedeutung der einzelnen Farben genauer erläutern – denn obwohl das Gas farblos ist, hat sein Farbton elementare Auswirkungen auf unseren Planeten.

Der Wasserstoff Farbcode

Obwohl es keine universelle Namenskonvention für Wasserstoff gibt, sind sich fast alle einig, dass der Großteil der heutigen H₂-Produktion entweder grün, blau oder grau ist.

Starten wir also mit dem schönsten Teil des Wasserstoff-Regenbogens:

Grün.

Bei grünem Wasserstoff, handelt es sich um Wasserstoff, der mit erneuerbarem Strom durch Elektrolyse hergestellt wird.
Wir sind der festen Überzeugung, dass dies das Öl des 21. Jahrhunderts ist und die einzige Möglichkeit, den von der Gesellschaft benötigten Bedarf an flüssigen und gasförmigen Brennstoffen zu dekarbonisieren.
Elektrolyseure nutzen eine elektrochemische Reaktion, um Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Bei diesem Prozess wird kein Kohlendioxid freigesetzt.
Die Wasserelektrolyse ist seit den 1920er Jahren weit verbreitet, zunächst mit Hydrolyseuren der alkalischen Technologie (TA), dann in den 1960er Jahren mittels der Protonenaustauschmembran (PEM) und jetzt mit unseren hocheffizienten Elektrolyseuren und der Anionenaustauschmembran (AEM).
Aktuell macht grüner Wasserstoff weniger als 1 % der gesamten Wasserstoffproduktion aus. Doch dies wollen wir ändern – und zwar indem wir unsere bahnbrechende AEM-Technologie in großem Maßstab produzieren.

Blau.

Blauer Wasserstoff wird hauptsächlich aus Erdgas durch ein Verfahren namens Dampfreformierung hergestellt. Hierbei werden Erdgas und erhitztes Wasser in Form von Dampf zusammengebracht. Das Ergebnis ist Wasserstoff und Kohlendioxid. Das produzierte Kohlendioxid wird nun durch industrielle Projekte zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung (Carbon Capture, Utilisation and Storage – CCUS) aufgefangen.
Diese CCUS-Projekte zielen darauf ab, die Produktion von blauem Wasserstoff klimaneutral zu bewerten, da das abgeschiedene CO₂ in unterirdische Hohlräume wie verbrauchte Gas- und Öllagerstätten geleitet wird oder industrielle Verwendungsmöglichkeiten für das abgeschiedene Gas gefunden werden.
Blauer Wasserstoff sollte daher besser als “CO₂-armer Wasserstoff” bezeichnet werden, da der Dampfreformierungsprozess die Entstehung von Treibhausgasen nicht wirklich vermeidet.

Grau.

Grauer Wasserstoff ist im Grunde jeder Wasserstoff, der aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird, ohne dass die dabei entstehenden Treibhausgase aufgefangen werden.
An dieser Stelle wird es etwas komplizierter: Je nach verwendetem Kohlenwasserstoff und der dabei freigesetzten Kohlendioxidmenge kann er auch als brauner oder schwarzer Wasserstoff bezeichnet werden.
Wird er aus Braunkohle gewonnen, handelt es sich höchstwahrscheinlich um braunen Wasserstoff, wird Steinkohle zur Gewinnung genutzt, um schwarzen Wasserstoff. Einige bezeichnen allerdings auch jeden aus fossilen Brennstoffen gewonnenen Wasserstoff als schwarzen oder braunen Wasserstoff.
Wasserstoff wird seit mehr als 200 Jahren durch Vergasung aus Kohle hergestellt.
Grauer Wasserstoff aus dampfreformiertem Erdgas ohne CCUS macht heute etwa 71 % der gesamten Wasserstoffproduktion aus, während die Kohlevergasung den Großteil des Rests ausmacht.

Jenseits von Grün, Blau und Grau.

Wie vieles im Leben ist auch die Welt des Wasserstoffs nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick erscheint.
So gibt es auch türkisfarbenen Wasserstoff. Türkisfarbener Wasserstoff ist ein Nebenprodukt der Methanpyrolyse, bei der Methan in Wasserstoffgas und festen Kohlenstoff aufgespalten wird. Manche sind der Meinung, dass türkisfarbener Wasserstoff damit ein emissionsarmer Wasserstoff ist – allerdings hängt dies davon ab, ob der energieaufwändige thermische Prozess mit erneuerbarer Energie betrieben und der entstandene Kohlenstoff dauerhaft gespeichert wird.

Danach beginnen die Farben etwas zu verschwimmen. Auch rosafarbener Wasserstoff findet seinen Platz im Spektrum und bezeichnet Wasserstoff, der durch Elektrolyse mit Kernenergie erzeugt wird. Gelber Wasserstoff wird von einigen als Wasserstoff bezeichnet, der durch Elektrolyse mit Solarenergie hergestellt wird, während andere verwirrenderweise davon ausgehen, dass es sich dabei um elektrolysierten Wasserstoff handelt, der mit Strom gemischter Herkunft hergestellt wird – d. h. der Mischung aus erneuerbaren und fossilen Energien, die tatsächlich durch das Stromnetz fließt.

Bei weißem Wasserstoff  handelt es sich um natürlich vorkommenden geologischen Wasserstoff, der in unterirdischen Lagerstätten vorkommt und durch Fracking gewonnen wird, obwohl es keine praktikablen Förderstrategien gibt.

Aber selbst wenn wir wissen, wofür jede Farbe stehen kann, bleibt eine besonders haarige Frage:
Welche Wasserstofffarbe kann uns beim Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft helfen?

Welche Wasserstofffarben bringen uns wirklich voran?

Beginnen wir zunächst mit den Farbe, die uns nicht zu einer Welt führen, in der die Treibhausgasemissionen auf ein Niveau reduziert werden, welches uns und künftigen Generationen ein sicheres und erfülltes Leben ermöglichen wird.
Da die EU anstrebt, bis 2050 in allen Sektoren – einschließlich der schwierig zu elektrifizierenden Sektoren wie dem Güterverkehr und der Industrie – kohlenstofffrei zu werden, können also nur kohlenstoffneutrale oder wirklich kohlenstoffarme Wasserstofffarben eine Rolle spielen.

Ausgeschlossen sind damit grauer, brauner und schwarzer Wasserstoff.
Alle Volkswirtschaften dieser Welt müssen ihre CO₂-Emissionen drastisch senken.
Selbst wenn die Nutzung von grauem Wasserstoff zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaftsinfrastruktur beitragen könnte, ist dies wertlos, wenn die Verbreitung von grauem Wasserstoff uns weiter in zerstörerische Rückkopplungsschleifen des Klimawandels treibt, aus denen wir nicht mehr herauskommen.

Gelber Wasserstoff aus gemischter Energie kann aus denselben Gründen wie grauer Wasserstoff ausgeschlossen werden – er beinhaltet immer noch die Verbrennung fossiler Brennstoffe.
Durchführbarkeit und der Sinn von rosafarbenen Wasserstoff hängen letztlich von der Haltung jedes Individuums und der Staaten dahinter zur Kernkraft ab.
Am Ende muss auch weißer Wasserstoff vorerst ausgeschlossen werden, da seine Gewinnung nicht rentabel ist.

Blauer Wasserstoff scheint, zumindest auf den ersten Blick, eine Option zu sein.
Wenn Abscheidung und Speicherung bzw. Verwertung von Kohlenstoff in großem Maßstab sicher umgesetzt werden könnten, könnte blauer Wasserstoff eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer sauberen Wasserstoffwirtschaft spielen. Diese „Wenn“ und „Könnte“ sind jedoch nicht zu unterschätzen:
Die CCUS-Technologie ist bisher nur in begrenztem Umfang kommerziell erfolgreich, da die Wirtschaftlichkeit und die enormen CCUS-Kapazitäten, die für eine großtechnische Umsetzung von blauem Wasserstoff erforderlich sind, noch nicht gegeben sind. Solche Technologien können mehr als 90 % der Treibhausgasemissionen auffangen, auch wenn es bei vielen Projekten weniger sind. Und selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Produktion von blauem Wasserstoff kohlenstoffarm ist, müssen wir die Treibhausgasemissionen berücksichtigen, die durch Lecks in Erdgaspipelines entstehen.
Und wie bei den nuklearen Abfällen gibt es auch hier potenzielle Probleme, wenn man das Problem auf die lange Bank schiebt: Es gibt keine Gewissheit, dass es nicht doch zu Leckagen kommt. Und wer trägt die Verantwortung, wenn es dann doch passiert? Blau ist leider doch nicht so grün.

Türkisfarbener Wasserstoff überwindet einige der technischen CCUS-Schwierigkeiten, mit denen blauer Wasserstoff konfrontiert ist, da er ein festes Kohlenstoff-Nebenprodukt erzeugt, was ihn scheinbar zu einem Anwärter auf “kohlenstoffneutralen” Wasserstoff macht. Die dauerhafte Speicherung von Kohlenstoff in industriellem Maßstab ist jedoch noch eine unbekannte Größe. Hinzu kommt, dass die Methanpyrolyse weniger effizient ist, als die Dampfreformierung für blauen Wasserstoff und heute nur in kleinem Maßstab durchgeführt wird.

Bleibt also doch nur grüner Wasserstoff

All dies scheint eines deutlich zu machen: Nur grüner Wasserstoff hat die von uns benötigte Klimawirkung und ist die einzige wirklich “klimaneutrale” Lösung, die es gibt.
Aber zu welchem Preis?

Der ziemlich horrende Preis für die Herstellung von grünem Wasserstoff (heute 3,50 bis über 10 €/kg, gegenüber 1,5 €/kg für grauen Wasserstoff) hat dazu geführt, dass viele die Wasserelektrolyse im großen Maßstab mit erneuerbaren Energien als teuren Traum abgetan haben.
Und diese Zweifel mögen einst durchaus begründet gewesen sein – aber das ist nicht mehr der Fall. 

Angesichts der sinkenden Kosten für die Erzeugung erneuerbarer Energien, der raschen Verbesserung des Wirkungsgrads von Elektrolyseuren und der zu erwartenden Kostenvorteile bei einer Ausweitung der Produktion gehen wir davon aus, dass unsere modularen Elektrolyseure bis 2025 grünen Wasserstoff zu Lebenszeitkosten produzieren könnten, die denen von grauem Wasserstoff entsprechen.

Ein Berechnungsgrundlage findest du hier. Dabei wird zwar von sinkenden Strompreisen ausgegangen, aber andere mögliche positive Einflüsse bleiben noch unberücksichtigt. Dazu gehören die Einführung von Kohlenstoffsteuern, die Volatilität der Gaspreise und die von der IEA prognostizierten Gaspreissteigerungen, die die Preise für grauen und blauen Wasserstoff mitreißen würden.
Oder die Möglichkeit, grünen Wasserstoff in sonnen- und windreichen Gebieten wie Nordafrika oder dem Nahen Osten zu produzieren und ihn genauso zu transportieren wie derzeit fossile Brennstoffe.

Wir müssen auch die einzigartigen Eigenschaften und die Flexibilität der modularen Produktion von grünem Wasserstoff in Betracht ziehen; sie ermöglicht uns die Schaffung von Energiespeicherlösungen für die effiziente Nutzung von Sonnen- und Windenergie, von abgelegenen Mikronetzen oder von flexibler Power-to-Gas-Produktion vor Ort – und zwar genau dort, wo sie gebraucht wird, auch fernab der zentralen Produktion von Wasserstoff auf Basis fossiler Brennstoffe.

Kurz gesagt, es ist die Farbe des Wasserstoffs, die sowohl in dezentralen als auch in großtechnischen Anwendungen zur Dekarbonisierung beitragen kann – und die einzige Option, die wir in Betracht ziehen können, da die Welt vor der dringenden Notwendigkeit steht, unsere Volkswirtschaften von fossilen Brennstoffen abzukoppeln und unsere Umweltsysteme zu schützen. 

Der Übergang zum Wasserstoff hat in verschiedenen Teilen der Welt bereits mit einem Ansatz begonnen, der die Wasserstoff-Farbpalette umfasst. In dieser kritischen Phase müssen wir aufpassen, dass der Hype um Wasserstoff die Entscheidungsträger nicht dazu verleitet, sich für irgendeine Farbe von Wasserstoff zu entscheiden – denn wir sehen zunehmend, dass nur grüner Wasserstoff golden ist.

by Joe Dodgshun.