Interview mit Jan-Justus Schmidt, Co-Founder Enapter & Board Member Wolong Enapter JV

“Enapter bringt die AEM-Technologie und die Systemintelligenz ein – Wolong die industrielle Exzellenz. Diese Kombination macht die Partnerschaft so schlagkräftig.“

Mai 27, 2025

China gilt heute als einer der entscheidenden Märkte für die weltweite Skalierung von grünem Wasserstoff. Staatlich geförderte Großprojekte, ein klarer politischer Fokus auf Dekarbonisierung und ein rasant wachsender Industriebereich machen das Land zu einem zentralen Schauplatz für die Energiewende. Auch wir bei Enapter richten den Blick verstärkt auf China – mit dem eigens gegründeten Joint Venture mit unserem chinesischen Industriepartner Wolong.

Im Gespräch erläutert Jan-Justus Schmidt, Enapter’s Co-Founder und Board Member im Wolong Enapter JV, welche strategische Rolle das Unternehmen im chinesischen Markt einnehmen will. Er spricht über Chancen und Herausforderungen der internationalen Zusammenarbeit, über technologische Souveränität und den Anspruch, AEM-Elektrolyse als neuen Standard für skalierbare Wasserstoffproduktion zu etablieren.

China gilt als einer der am schnellsten wachsenden Wasserstoffmärkte weltweit. Welche konkrete Rolle soll Enapter durch das Joint Venture künftig dort einnehmen – als Technologielieferant, Produzent oder Marktgestalter? Welche Effekte bietet es für das Geschäft im Rest der Welt?

China wird in den kommenden Jahren maßgeblich über die Skalierung von grünem Wasserstoff entscheiden. Unsere Rolle mit dem Joint Venture ist klar: Wir bringen die AEM-Technologie von Enapter als Technologieführer nach China – in Form von lokal produzierten, modularen Elektrolyseuren, die sowohl für kleine als auch für große Anwendungen skalierbar sind. Dabei verstehen wir uns nicht nur als Lieferant, sondern als Mitgestalter eines wachsenden Marktes, in dem wir mit einem chinesischen Industriepartner gemeinsam neue Standards setzen. Der Lerneffekt aus dieser Skalierung, sowohl was Produktion als auch Projektumsetzung betrifft, wird uns global stärken.

Es gibt in Europa oft Skepsis gegenüber Technologietransfers nach China – insbesondere im Bereich Zukunftstechnologien. Wie adressiert Enapter die Sorge, Know-how könnte im Rahmen der Kooperation abfließen oder kopiert werden?

Unsere Partnerschaft mit Wolong ist klar strukturiert um eine möglichst offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu ermöglichen, während der Kern von Enapters Know-How bestmöglich geschützt wird. Enapters AEM-Technologie wird daher weiterhin in unserem Standort in Pisa entwickelt und gebaut, während sich das Joint Venture auf die Systemintegration und -produktion der Anlagenperipherie (BOP) konzentriert.

Ich möchte hier nochmal auf einen Punkt aufmerksam machen, den wir schon zur Gründung des JVs formuliert hatten: Das größere Risiko wäre es, nicht nach China zu gehen. Dass wir damit Recht haben, sieht man bei einem Rundgang über die Industriemessen in China zum Thema Wasserstoff – AEM Elektrolyse ist mittlerweile überall. Einige Marktteilnehmer arbeiten an Produkten, die offensichtlich nur Imitationen unserer erfolgreichen AEM Elektrolyseure sind. Aber es gibt auch diejenigen, die versuchen eigene Innovationen in der AEM Elektrolyse auf den Markt zu bringen. Eine 100% Sicherheit gibt es nicht – wir müssen weiter innovativ sein, und gemeinsam mit unseren Partnern bei der Skalierung unserer Lösungen Gas geben, um unsere Führungsposition in diesem neuen Markt weiter auszubauen.

In bisherigen Statements haben Sie die Modularität und Skalierbarkeit der AEM-Technologie als Schlüssel zur Massenproduktion betont. Wie lässt sich dieses Konzept konkret auf den chinesischen Markt übertragen – insbesondere im Kontext der massiven staatlichen Förderprogramme dort?

China ist prädestiniert für einen modularen Ansatz. Die staatlichen Programme zielen ab auf schnelle, großflächige Umsetzung mit einem starken Fokus auf industrielle Integration. Genau hier spielt unsere Technologie ihre Stärken aus: Statt monolithischer Großanlagen können wir skalierbare, vorgefertigte Systeme liefern, die sich flexibel an bestehende Infrastrukturen anpassen lassen. Das senkt Einstiegshürden und ermöglicht es vielen Marktakteuren, schnell eigene Projekte umzusetzen. In Großprojekten bieten sich unsere Systeme auch als flexible Ergänzung zu den bekannten alkalischen Großanlagen an, um die Effektivität der Wasserstoffproduktion im Gesamtprojekt zu erhöhen. Unser Ziel ist es, dass AEM-Technologie zum Standard für skalierbare Wasserstoffproduktion wird. Das gilt auch in China.

Wolong ist in China stark im Bereich Elektromotoren und Industrieautomation verankert. Was bringt dieses spezifische Know-how in die Partnerschaft ein, und wie ergänzt es Enapters Kompetenzen im Bereich Elektrolyse?

Wolong bringt genau das industrielle Rückgrat mit, das es braucht, um in der Serienfertigung unser Elektrolyseanlangen erfolgreich zu sein. Sie haben 42 Fabriken, in denen sie Elektromotoren, Batteriesysteme und viele andere Industrieprodukte und -anlagen fertigen. Damit ist Wolong auch mit Bezug auf ihr Lieferantennetzwerk, Fertigungstiefe, und Qualitätssicherung ein großer Gewinn für uns. Insbesondere das Know-how in der Serienfertigung elektrischer Komponenten und Batteriesystem, die auch für unsere Systeme relevant sind, ist ein strategischer Vorteil. Enapter bringt die AEM-Technologie und die Systemintelligenz ein – Wolong die industrielle Exzellenz. Diese Kombination macht die Partnerschaft so schlagkräftig.

Die Wasserstoffstrategie Chinas setzt stark auf grünen Wasserstoff – insbesondere für Industrie, Schwerlastverkehr und später auch Energieexporte. Wie kann Enapter dazu beitragen, dass AEM-Elektrolyseure ein zentraler Bestandteil dieser Strategie werden?

AEM gilt inzwischen als die zukunftsweisendste Elektrolysetechnologie – nicht nur wegen ihres Potenzials für niedrige Betriebskosten, sondern auch aufgrund der Materialeffizienz und einfachen Skalierbarkeit. Wir sind überzeugt: Wenn die Industrie in die Massenproduktion übergeht, wird AEM auch große Alkaline-Systeme wirtschaftlich überholen und sich gegenüber den anderen Niedrigtemperaturelektrolysetechnologien im Markt durchsetzen.

In der Übergangsphase sehen wir aber auch in hybriden Anlagenkonzepten einen klaren Vorteil: Die Kombination aus etablierten ALK-Systemen und hochflexibler AEM-Technologie macht Wasserstoffprojekte robuster, anpassungsfähiger und vor allem besser integrierbar in fluktuierende erneuerbare Energien. Das ist besonders relevant für Off-Grid-Projekte, die unabhängig vom Stromnetz betrieben werden sollen. Das ist ein Punkt, der Projektentwicklern in China mittlerweile extrem wichtig ist, vor allem in Regionen mit starker Solar- oder Windverfügbarkeit, wie z.B. der inneren Mongolei.

Unser Ziel ist es, AEM nicht nur als Nischenlösung zu positionieren, sondern als Kerntechnologie für eine dezentrale, skalierbare und zukunftssichere Wasserstoffwirtschaft in China.

Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Nachhaltigkeitsstandards – sowohl in der Produktion als auch im Produktlebenszyklus – auch im Rahmen der Kooperation mit einem chinesischen Partner eingehalten werden?

Wir nutzen die Anlagenperipherie, die wir in unserem JV produzieren, auch für Elektrolysesysteme in Europa. Damit unterliegen das Systemdesign, alle Komponenten und ihre Lieferanten, den gleichen Standards und Zertifizierungsanforderungen wie in Europa. In China arbeiten wir auch mit unabhängigen Prüf- und Zertifizierungsorganisationen wie dem TÜV zusammen, um die Erfüllung aller relevanten Anforderungen in unserem Joint Venture und bei unseren Lieferanten zu überprüfen.

Abschließend gefragt: Viele sprechen von einem neuen geopolitischen Wettlauf um Wasserstofftechnologie. Ist Ihre China-Strategie ein pragmatischer Schritt, um global relevant zu bleiben – oder eher ein bewusstes Risiko mit hohem strategischem Potenzial?

Beides. Wir wären naiv, wenn wir das geopolitische Umfeld ignorieren würden – gleichzeitig wäre es ein strategischer Fehler, China ausklammern zu wollen. Unsere Entscheidung für das Joint Venture ist ein kontrollierter und gut geplanter Schritt, um unsere globale Wettbewerbsfähigkeit weiter zu verbessern und langfristig zu sichern. Wir setzen auf eine starke lokale Präsenz vor Ort in China mit unserem strategischen Partner. Grüner Wasserstoff ist alternativlos, wenn wir fossile Energieträger verdrängen und dazu beitragen wollen, dass wir die Folgen des Klimawandels doch noch bewältigen können. Das Rennen im Wasserstoffmarkt wird nicht national gewonnen, sondern global entschieden. Unsere China-Strategie ist ein wichtiger Grund dafür, dass wir langfristig dabei sein werden.

Vielen Dank für das Gespräch.